Politik und Weltgeschehen

Zu dem Video von weiter oben:

Zunächst einmal ein paar Formalitäten. Die Quelle ist Compact. Eigentlich eine Zeitschrift. Auf Wikipedia steht dazu:

"Wissenschaftler und Journalisten bewerten die Zeitschrift als verschwörungsideologisches Querfront-Magazin und ordnen sie dem Rechtspopulismus zu. Seit 2015 präsentiert sich Compact als Sprachrohr der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) und der islamfeindlichen Pegida-Bewegung." Aber Wikipedia ist wahrscheinlich auch linksgrünrotversifft oder von Merkel selbst geschrieben...

Im Video wird suggeriert ganz normale Bürger zu zeigen, die repräsentativ sind für Cottbus. Also die Runde da in der Mühle. Nur sind sie es sicher nicht, weil in einer Szene dieser Gründer von Zukunft Heimat durchs Bild läuft, also gehören die Leute wohl zu seinem Laden. Dass die Menschen auf der Demo sagen, was sie sagen, ist wenig überraschend. Sowohl die Leute auf der Demo als auch die von Zukunft Heimat aber haben Extrempositionen. Ich bin oft in Cottbus und ich kennen nur sehr wenige, die so etwas sagen.

Auch interessant, welche Energiefans da interviewt werden. Natürlich nur solche, die in die Geschichte passen. Der Redakteur hätte ja mal bei ein paar Jungs von Ultima Raka nachfragen können, die bedroht wurden. Oder bei denen, die zum Beispiel beim Auswärtsspiel bei Viktoria vor zwei Jahren so eingeschüchtert wurden, dass sie nicht mal mehr gesungen haben. Oder bei der Gründerin von Energiefans gegen Nazis, die im Relegationsspiel gegen Flensburg ihr Transparent abnehmen musste, weil 20 Stiernacken kamen und die danach ihre blauen Flecken zählen musste. Eine Frau! Generell zu diesem Thema: Ich als Tribünensitzer bekomme von der Nazi-Hegemonie auch nichts mit. Aber nur weil man etwas sieht, bedeutet das nicht, dass es nicht existiert. Ich kenne genug Leute, die mir davon berichten, die Angst haben usw. Und ich weiß, dass der FCE wegen dieser Problematik schon Sponsoren verloren bzw nicht bekommen hat. Versteht ihr nicht? Die Nazis machen den Verein kaputt, wahrscheinlich merken sie es nicht mal.

Zurück zum Video. Es wird also ein sehr besonderes Bild von Cottbus gezeichnet. Als Hort des Widerstands. Stimmt halt nur nicht. Selbst wenn man alle 30 Prozent AfD-Wähler (von denen viele es nur als Protest sehen und den Teufel tun würden auf eine Zukunft-Heimat-Demo zu gehen) nimmt, bedeutet das immer noch, dass 70 Prozent der Menschen nicht die Afd wählen. Das ist die Mehrheit, eine sehr deutliche sogar. Cottbus ist halt bunt und die meisten Cottbuser, die ich kenne, sind weltoffen und wünschen sich eine diverse Stadt.

Ich könnte jetzt viel schreiben von der Humanität und Globalisierung. Davon, dass es eine Frage der Menschlichkeit ist, Menschen in Not zu helfen. Davon, dass Deutschland eines der Länder ist, die am meisten von der Globalisierung profitiert haben und dann eben auch Verantwortung für Dinge übernehmen müssen, die nicht so gut laufen (Krieg, Armut, Vertreibung, die wir mit unserer westlichen Politik und den Terms of Trade und unserem Ressourcenverbrauch seit hunderten von Jahren mitverantworten). Kleiner Exkurs zur Anschauung: Ghana zum Beispiel war lange eine Tomatenland. Viele Bauern konnten sich ihren Lebensunterhalt verdienen, in dem sie Tomaten anbauten und sie auf dem Markt verkauften. Solange bis die von der EU subventionieren Tomaten nach Ghana kamen. Die waren plötzlich so billig, dass die Bauern dort ihre nicht mehr verkaufen konnten. Die Bauern verloren ihre Existenzgrundlage, und ihre Söhne machten sich in Schlauchbooten auf den Weg nach Europa. Und was machten sie dort? Sie arbeiten auf Tomatenplantagen.

Nun sind wir wieder in Cottbus: Wenn ich durch die Straßen gehe, fühle ich mich nicht unsicher. Ich kenne ehrlich gesagt auch keinen, der das tut. Aber ich möchte den Leuten, vor allem Frauen und Älteren, dieses Gefühl nicht absprechen. Dieses Gefühl ist ein Problem. Und auch ich habe Aversionen gegen im Stadtzentrum herumlungernde Gruppen (früher waren es eher die Glatzen vor der Stadthalle, um die ich einen Bogen machte). Man könnte aber auch mal drüber nachdenken, ob es nicht ein wenig paranoid ist, in jedem Schwarzhaarigen einen pozentiellen Gewalttäter zu sehen. Natürlich sind nicht alle Flüchtlinge Engel. Wie in jeder Gruppe von Menschen gibt es auch unter ihnen gute und schlechte. Und schlechte begehen Verbrechen. Es wäre eher seltsam, wenn es nicht so wäre. Aber die werden eben genauso wie alle anderen bestraft, dafür gibt es Gesetze, fertig. Im Übrigen: 2017 gab es allein in Cottbus 32 rechtsmotivierte Angriffe.

Ich verstehe, dass etwas Fremdes zunächst einmal Angst macht. Was ich nicht verstehe ist, dass man in seinem Ressentiment gefangen bleibt. Wieviele von denen, die gegen Flüchtlinge hetzen, haben sich mal mit einem unterhalten? Wieviele kennen ihre Geschichte? Warum geht man nicht aufeinander zu? Warum sieht man diejenigen die kommen und bleiben wollen nicht als Chance? Gerade in Cottbus, eine Stadt, die immer wieder tricksen muss, um über der 100.000-Einwohner-Grenze zu bleiben. Wenn mich nicht alles täuscht, hat sogar der Zuzug von Flüchtlingen dafür gesorgt, dass die Stadt den Großstadtstatus behalten konnte.

In dieser Stadt gibt es Ärzte, Gastronomen und wasweißichnicht mit ausländischen Wurzeln. Das ist gut so. Auch sie halten die Stadt am Leben. Es waren auch vor allem Ausländer, die den FC Energie zweimal in die Bundesliga geschossen haben. Ich verstehe einfach den Hass nicht. Wirklich nicht. Ich bin gerne bereit konkret zu diskutieren. Bitte aber nicht sowas wie: Dir ist nicht mehr zu helfen, du bist doch krank, bla. Vielleicht bekommen wir das ja hin. Weil wenn wir verlernen miteinander zu reden, können wir den Laden auch dichtmachen.